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LARP-Theorie 4: Probleme Kräuterregeln

im Grünen

Alchemisten, Heiler, aber auch Magier, Elfen usw. arbeiten innerhalb des Liverollenspiels häufig mit heilkräftigen/ wirksamen Pflanzen, Tränken und sonstigen Rezepturen. Die Regelungen für diesen Teilbereich des Spiels sind zahlreich, ein allgemeingültig anerkannter Status existiert jedoch z.Z. nicht.

Die diesbezüglichen Probleme lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wie folgt zusammenfassen:

  1. Komplexität: Eine Regelung für Kräuter darf nicht zu kompliziert sein, da es sich nur um einen Teilbereich eines ohne schon reglementierten Freizeitspiels handelt. Aufwändige Tabellenwerke, Ausnahmeregeln, fehlende Übertragbarkeit anderer Systeme u.ä. sind nicht spielförderlich, sondern fordern langwierige Regeldiskussionen heraus.
  2. Umweltschutz: Verteilte „Heilkräuter“ müssen sich aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes entweder vollständig wieder einsammeln lassen oder dürfen bei Verbleib keinen Schaden anrichten. Plastikobjekte, in großen Stückzahlen ausgebracht, stellen für den Veranstalter eines Liverollenspiels eine ernstzunehmende Arbeitsbelastung dar. Eine einwandfreie Entsorgung kann kaum gewährleistet werden. Weiterhin beanspruchen die Kunststoffprodukte Stauraum bis zur nächsten Veranstaltung oder tragen zum Müllberg bei.
  3. Spielbalance: Im Vergleich zu einem zauberkundigen Charakter wird die Kräuter- und Trankkunde nicht durch ein fiktives abnehmendes Magieniveau begrenzt, sondern durch die zur Verfügung stehenden Materialien und den angesetzten Zeitaufwand der Herstellung. Sind die Substanzen hergestellt, können sie – im Gegensatz zu Zaubersprüchen – an andere Spielercharaktere weiter gereicht werden. Im Kontext von Heilung, Schutz und Kampf wirft dies die Frage auf, inwieweit der Veranstalter noch das Kräftegleichgewicht zwischen Spieler- und Nicht-Spieler-Charakteren absehen kann. Sicherheitshalber die Anzahl der verteilten Pflanzen deutlich zu reduzieren mindert jedoch unter Umständen den Spielspaß, da möglicherweise gar keine gefunden werden.
  4. Akzeptanz: In Ermangelung allgemeingültiger Regeln haben viele Spielteilnehmer eigene Konzepte entwickelt. Eine zu starke Beschneidung der Fähigkeiten ihrer Charaktere wird wahrscheinlich nicht (positiv) angenommen. 200 Punkte in der Fähigkeit „Alchemie“ können sowohl ein hochspezifisches, flächenwirksames Todesgift, als auch ein Portfolio diverser kleinerer Wirkungen sein. Beide Varianten müssen umsetzbar sein.
  5. SL-Präsenz/ Verbindlichkeit: Ob z.B. die Herstellung eines Antidots gelingt, hängt bisweilen ausschließlich von der subjektiven Entscheidung einer Spielleistung über die „Darstellung“ ab. Auf Spielerseite entsteht dabei leicht der Eindruck von Willkür und mangelnder Fairness. Von der Spielleitung erfordert es intensive Beschäftigung mit dem Thema und eine physische Präsenz/ Betreuung, die nicht immer leistbar ist. Beides führt zu Unmut.
  6. Spielwert Suche: Wenn die auffindbaren Objekte sich real stark ähneln, aber nur Dank einer Spielfähigkeit unterschieden werden können (3 kleine, grüne Zettelchen mit unterschiedlichen Aufdrucken, der Charakter kennt nur eines) schädigt dies den konsistenten Spielfluss. Problematisch sind auch Charaktere ohne die Spielfertigkeit „Kräuterkunde.“ Real existierende Objekte müss(t)en von ihnen ignoriert werden, was nicht selten dazu führt, dass doch Objekte eingesammelt werden. Dies mag auch daran liegen, dass selbst Basiswissen von Pflanzenkunde und Alchemie in manchen Systemen mit vielen Spielpunkten bezahlt werden muss. Das Einsammeln realen Mülls aus dem Spielgebiet als Simulation der Suche hingegen ist ethisch selbstverständlich sehr wertvoll, unterstützt allerdings nicht das Spielsetting und das „Ambiente“ des Spiels.

Eine wirklich perfekte Lösung mit Befriedigung aller genannten Ansprüche erscheint eher unwahrscheinlich. Umso mehr wären eine praxisorientierte, sachliche Diskussion, sowie Vorschläge zu umsetzbaren, ausgewogenen Regelkonzepten wünschenswert.